1997 Breslau: Eucharistie und Freiheit

 

Gebet des 46. Eucharistischen Weltkongresses 1997 in Breslau

Allmächtiger, ewiger Gott,

 

Du hast uns aus der Knechtschaft der Sünde befreit;
Du hast uns durch die Hingabe deines Sohnes Jesus Christus erlöst.

Er hat sein Leben, Leiden und Sterben in Liebe gewandelt
und zu einem Opfer für dich, für uns und für die ganze Welt gemacht.

Hilf uns, diese Hingabe Jesu Christi,
seinen Tod und seine Auferstehung in der Eucharistie
gläubig zu feiern und stets in Gemeinschaft mit ihm zu leben.

Lass uns, dadurch gestärkt und von deinem Geist geführt,
verantwortlich mit unserer Freiheit umgehen:
in Familie, Beruf und Freizeit,
in der Welt der Kultur und der Medien,
in der Sorge um die Kranken und alle Hilfsbedürftigen.

Dein Reich komme,
das Reich der Wahrheit und der Freiheit,
das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens.

Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn,
der uns im Heiligen Geiste mit Dir unaufhörlich vereinigt, in Ewigkeit.

Amen.

aus dem Grundtext zum 46. Eucharistischen Weltkongress

Einleitung – Ein Gnadenereignis auf dem Weg der Kirche

Eine »Statio Orbis« in Osteuropa

 

1. Der 46. Eucharistische Weltkongress wird 1997 in Wroclaw, Polen, gefeiert. Zum ersten Mal in der Geschichte wird sich ein Eucharistischer Weltkongress höchst zeitgemäß mit dem Thema des reichhaltigen und anregenden Verhältnisses zwischen Eucharistie und Freiheit befassen. Tatsächlich nähern wir uns mit der gesamten Kirche dem dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung und schließen damit ein Jahrhundert ab, in dem ganze Völker von totalitären Regimes unterjocht worden sind. In ganz besonderer Weise mußten die Völker Osteuropas diese leidvolle Erfahrung machen. Erst wenige Jahre ist es her, dass uns die göttliche Vorsehung den fast unvermittelten Zusammenbruch dieser Unterdrückung erleben ließ. Darum findet der Kongress im Herzen Osteuropas – in Polen – statt, damit sein Licht auf jene Völker ausstrahle, die in den vergangenen Jahrzehnten Opfer einer tragischen Verleugnung aller persönlichen und gesellschaftlichen Freiheiten gewesen sind. Auf diese Weise wird das Geheimnis der Eucharistie die positive Erfahrung der Freiheit – auch der historischen und sozialen Freiheit – noch entscheidender stärken und die übernatürliche Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, erstrahlen lassen.

Das Licht der Eucharistie, um die sich die ganze Kirche gleichsam in einer »Statio orbis« anbetend versammeln wird, muß mit dem ganzen Glanz der Wahrheit allen Völkern der Erde leuchten, auch jenen, denen immer noch die Freiheit versagt wird oder die die Prüfungen des Krieges erleiden, und jenen, die immer noch unter dem Joch neuer Formen der Armut, der Unterentwicklung, des Rassenhasses, einer schlechten Regierung oder des Missbrauchs der Massenmedien stöhnen… Zu allen Völkern der Erde muß die Botschaft der wahren Freiheit Christi dringen und sie aufrütteln, auf dass sie die Wahrheit bekennen, die Rechte Gottes als Garant der Rechte des Menschen achten, Eintracht üben, den wahren Frieden in Gerechtigkeit suchen.

Die Eucharistie: Geheimnis des Glaubens und Lebens, Geschenk der Freiheit

2. Die Eucharistie bildet den Mittelpunkt von Glauben und Leben der Kirche. In Christus Jesus, dem fleischgewordenen Wort, gestorben und verherrlicht, dem lebendigen Brot und unserem Osterlamm, sammeln sich alle unsere Erlösungshoffnungen.

Der 46. Eucharistische Weltkongress will das Geheimnis der Eucharistie im Licht eines Begriffs darstellen und feiern, dessen menschliche, gesellschaftliche und heilsgeschichtliche Bedeutung alles überragt: im Lichte der Freiheit. Nach Freiheit sucht die Menschheit und sehnen sich die Völker. In der Freiheit kommt jener Funke der Wahrheit und des Lebens zum Ausdruck, mit dem der Mensch als Abbild Gottes und ihm ähnlich geschaffen ward. Freiheit ist der edelste Ausdruck und zugleich das höchste Risiko der Menschheit: »Gott wollte nämlich den Menschen “der Macht der eigenen Entscheidung überlassen”, so dass er von sich aus seinen Schöpfer suche und frei zur vollen und seligen Vollendung gelange, indem er ihm anhängt.«

Die Freiheit ist das Geschenk Gottes an die Menschheit in der Schöpfung und mehr noch in der Erlösung. Denn auf das Erlösungsgeheimnis bezieht sich Paulus, wenn er sagt, »zur Freiheit hat uns Christus befreit« (Gal 5,1). Gerade weil die Freiheit ein zerbrechliches und gefährdetes Geschenk ist, wurde sie von der Sünde »erlöst« und »gerettet« durch die Gabe des Heiligen Geistes, der uns zu Kindern Gottes macht und von der Sklaverei der Sünde befreit, so dass wir gemeinsam »Abba«, Vater, rufen dürfen (vgl. Gal 4,4-6). In demselben Geiste können wir uns unseren Brüdern und Schwestern zuwenden in der Freiheit und evangelischen Brüderlichkeit der Kinder des einen Vaters.

Darum, damit wir frei bleiben, wollte Christus, dass uns das Geheimnis unserer Erlösung und Befreiung – sein und unser Paschamahl – in der Eucharistie zu allen Zeiten und an allen Orten sakramental gegenwärtig bleibe bis zu seiner endgültigen Rückkehr in Herrlichkeit, wenn wir »befreit von der Knechtschaft der Sünde und des Todes mit allen Geschöpfen den Ruhm des Vaters preisen«.

An der Schwelle zum Großen Jubeljahr 2000

3. Das glückliche Zusammentreffen mit der Vorbereitung des Großen Jubeljahres 2000 verstärkt noch den Aufruf zur christlichen Freiheit. War doch das Jubeljahr in der Tradition des Volkes Israel der freudigen Gemeinschaftsfeier der Freiheit gewidmet, die Gott allen geschenkt hat. Christus, der mit dem Heiligen Geist Gesalbte und vom Vater Gesandte, hat das Jubeljahr der Erlösung eingesetzt. »Er ist es, der den Gefangenen die Freiheit bringt, die Unterdrückten befreit, den Blinden das Augenlicht zurückgibt« (vgl. Mt 11,4-5; Lk 7,22). Auf diese Weise verwirklicht er »ein Gnadenjahr des Herrn«, das er nicht nur durch sein Wort, sondern vor allem durch seine Werke ankündigt. Das Große Jubeljahr des Heils wurde erfüllt im Ostergeheimnis von Tod und Auferstehung Christi, an das uns die Eucharistie stets erinnert.

In der Perspektive der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 ist das Jahr 1997, in dem der Eucharistische Weltkongress in Wroclaw stattfinden, vor allem der Feier des alleinigen Retters der Welt geweiht: »Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit« (Heb 13,8); »Wiederentdeckung Christi als Retter und Verkünder des Evangeliums mit besonderer Bezugnahme auf das vierte Kapitel des Lukasevangeliums, wo das Thema von dem zu Verkündigung und Bekehrung entsandten Christus und das Thema Jubeljahr miteinander verknüpft werden…« Die glückliche Themenwahl »Eucharistie und Freiheit« soll Christus den Herrn als Quelle der Freiheit und der wahren Befreiung in den Mittelpunkt des Eucharistischen Kongresses stellen.

Die in diesem Dokument vorgelegten ersten Überlegungen zu diesem Thema sind als Vorbereitungshilfe für die Kirche in den verschiedenen Nationen gedacht. Alle – Gläubige wie Hirten – sollen sich im Blick auf die Eucharistie für den Kongress bereit machen, indem sie gemeinsam den Weg des Hörens auf das Wort, der Betrachtung, der Feier und der Verpflichtung beschreiten und dabei freudig jene Freiheit erfahren, zu der uns Christus befreit hat und im Erlösungsgeheimnis unablässig weiter befreit.

Geschenk der Freiheit in einer Zeit der Krise

1. Die leidvolle Erfahrung einer schweren Zeit – Zeugnis wahrer Freiheit

4. Die Verkündigung der Eucharistie als Quelle der Freiheit ist heute hochaktuell. Nie hat vielleicht in unserem Jahrhundert die Sehnsucht nach Freiheit so sehr wie heute mit der Schändung der elementarsten Rechte des einzelnen und der Völker beisammengewohnt. Das Bewußtsein von der Würde des Menschen ist in diesem Jahrhundert in der ganzen Menschheit auf wundervolle Weise geschärft worden, und doch sind vielleicht niemals zuvor so schreckliche Verbrechen gegen Freiheit und Menschenrechte geschehen.

Erst vor kurzem ist den Völkern Europas nach langen Jahren totalitärer Herrschaft die soziale und politische Freiheit wiedergeschenkt worden; gleichzeitig aber machen die entwickelten Völker mit langer demokratischer Tradition eine Krise der wahren Freiheit durch. Hierin liegt eine gewaltige Herausforderung für die Kirche.

Was muß geschehen, damit die Kirche in der Betrachtung der Eucharistie der Freiheit ihre wahre Dimension schenkt? Wie können die angeborenen menschlichen Freiheiten zum Fundament einer gültigen Antwort an den Schöpfer werden, und wie kann eine Gesellschaft, in der Bürger und Christen, Staaten und Völker der Erde zur Bildung einer einzigen Familie aufgerufen sind, in brüderlicher Solidarität leben?

Im Lichte der Worte Christi und gestärkt durch das Brot des Lebens will die Kirche in dieser Welt vor allem »lebendiges Zeugnis der Wahrheit und Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens sein, damit die ganze Menschheit sich der Hoffnung auf eine neue Welt öffne«.

Prüfungen und Siege der christlichen Freiheit

5. Der Eucharistische Kongress wird am Ende eines Jahrhunderts stattfinden, das im Grunde eine herrliche Ära der Freiheit hätte erleben sollen. Aber in den totalitären Systemen der Länder des Ostens ist die Freiheit mit Füßen getreten worden, zuerst durch die brutale stalinistische Unterdrückung, sodann durch die Nazityrannei. Dennoch blieb die Kraft des unabhängigen Geistes selbst dort lebendig, wo im öffentlichen Leben die Freiheit eng begrenzt oder völlig ausgeschaltet war. Die totalitären Systeme haben nicht die menschliche Person von innen her zu gestalten versucht, sondern sie zwangen äußere Bedingungen auf. Nach ihrer Ideologie konnte die Industriegesellschaft als Ergebnis der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften nicht die Frucht freier Entscheidung und der Beteiligung aller freien Menschen sein. Der menschlichen Freiheit war nicht zu trauen.

Gleichzeitig erwiesen sich diese Systeme gegenüber der inneren Freiheit der menschlichen Person als machtlos. In Konzentrationslagern, Gulags, Gefängnissen und politischen Prozessen wurden Millionen Menschen auf unmenschliche Weise vernichtet, aber sie waren zugleich Ort zahlloser Siege des menschlichen Geistes. Das Leben des Menschen gewann tiefere Bedeutung im Verzeihen, in der tätigen Liebe bis hin zum Angebot des eigenen Lebens zum Wohle des Feindes und einer besseren Welt. So lauteten die Siege von Männern und Frauen, die niemals der Makel des Verrats, der Kollaboration mit dem Bösen oder der Selbstpreisgabe an die Mächtigen gestreift hat.

Hoch war, menschlich gesehen, der Preis. Aber es gab wundervolle Erfahrungen innerer Freiheit. Woher nahmen diese Menschen die Kraft? möchte man fragen. Wie kann es geschehen, dass ein Mensch sein eigenes Leben zur Verteidigung der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Lebens eines anderen aufopfert? Wie kann es geschehen, dass nur in einer solchen Tat die Fülle des Schicksals erfahren, das persönliche »Heil« erlebt wird, und woraus bezieht ein Leben gerade in dem Augenblick einen Sinn, da es menschlich gesehen verloren ist? Niemand wird je diese Fragen zufriedenstellend beantworten können ohne Bezug auf das menschliche Gewissen, das Gottes Gesetz ins Menschenherz senkt und in der Erfahrung der universellen und transzendenten Werte reift.

Die Erfahrung des Völkermords ist ebenso Teil der Wirklichkeit unserer Zeit wie die des Sieges des menschlichen Geistes, und so wird diese Zeit zur zugleich tragischen und erhebenden Erfahrung. Diese Erfahrung ist alles andere als banal. Sie ist auf ihre ureigene Art eine Erfahrung des Geheimnisses der Begegnung des Menschen mit Gott, besser: mit dem Einen, in dem sich Gott offenbart – Christus Jesus. Diese Erfahrung hat sich letztlich als stärker erwiesen als die Macht der totalitären Herrschaft. Diese brach plötzlich zusammen, sei es ihrer angeborenen Schwäche, sei es der in Jahrzehnten fortlebenden Freiheitssehnsucht im Herzen der Menschen, sei es der besonderen Gnade eines gütigen und barmherzigen Gottes wegen.

2. Wahrheit und Freiheit: Die schillernde Kultur von heute – Das Risiko der Freiheit in der heutigen Kultur

6. Ist nun in vielen Völkern heute eine neue Freiheit entstanden, oft in Reaktion auf eine Abhängigkeitskultur, so erleben wir gleichzeitig einen zügellosen Liberalismus. Sein Lebensstil beruht auf einer nahezu absoluten Freiheit, die nicht wie die wahre Freiheit von der Würde einer erlösten Menschheit gemäßigt wird. Die Folge sind neben dem Verlust zwischenmenschlicher Beziehungen Einsamkeit, das Syndrom des Verlorenseins in der Menge, das Gefühl der Sinnlosigkeit, Selbstsucht und eine existentielle Leere, die die Menschen immer aggressiver und brutaler werden lässt. Diese existentielle Leere schafft immer neue Ersatzformen für wahre Freiheit – so zum Beispiel die Konsumsucht und den Hedonismus -, während gleichzeitig eine Vielzahl alternativer religiöser Bewegungen und das Sektenphänomen den nach dem wahren Sinn des Lebens Suchenden eine falsche und entfremdende Antwort zu liefern versuchen.

Zweifellos haben die humanistischen Strömungen der Aufklärung zum Konzept der Menschenrechte geführt. Da diese Rechte aber ohne Bezug zum Naturgesetz interpretiert wurden, ging ihnen der Blick auf die Würde der menschlichen Person verloren. Das förderte die liberalen und subjektivistischen Tendenzen zutage, die auf bestimmten individualistischen Ansprüchen beruhen und von dort her zu definieren und zu entscheiden versuchen, was Wahrheit, Gerechtigkeit und Moral sei.

Gott hat die Gottebenbildlichkeit und damit die Möglichkeit wahrer Freiheit nicht einer ideologisch privilegierten Rasse geschenkt. Gott hat die Menschheit nicht einer nach Herrschaft über die Seelen strebenden, revolutionären Klasse ausgehändigt, und der Widerschein des Göttlichen ist auch nicht einem liberalen Staat anvertraut worden. Sondern der Mensch als Person trägt das Bild des personalen Gottes in sich, ein durch die Gnade des Erlösers bekräftigtes Bild. Im Gegensatz zur Behauptung des liberalen Gedankenguts wird der Mensch nicht schon als Freier geboren, sondern er wird geboren mit der Möglichkeit, frei zu werden, und mit der Verheißung der befreienden Erlösung. Die Natur des Menschen ist durch die Erbsünde geschwächt. Damit sich die Freiheit und die Fähigkeiten der Person entwickeln und Gestalt gewinnen können, benötigt der Mensch die Erlösung, muß er von Gott freigekauft werden. Das Mysterium der Sünde wird überwunden durch das Mysterium der Erlösung.

Das Geschenk der wahren Freiheit

7. Das Problem der Freiheit in der Welt von heute ergibt sich für das Gewissen aus der Beziehung zwischen Freiheit und Wahrheit, Offenbarung des Evangeliums und Lehre der Kirche. Johannes Paul II. sagt: »Nur die Freiheit, die sich der Wahrheit unterwirft, [führt] die menschliche Person zu ihrem wahren Wohl. Das Wohl der Person besteht darin, sich in der Wahrheit zu befinden und die Wahrheit zu tun.«

Das Zerbrechen dieses wesentlichen Zusammenhangs zwischen Wahrheit und Freiheit hat in unserer Zeit einen allgemeinen Werteverfall und hin und wieder eine wahre menschliche Katastrophe bewirkt. Johannes Paul II. brandmarkt einige Symptome: »Allen Augen offenkundig ist die Verachtung des empfangenen und noch ungeborenen Lebens; die ständige Verletzung der Grundrechte der Person; die ungerechte Zerstörung der für ein wirklich menschliches Leben notwendigen Güter.« All die falschen Freiheitsbegriffe, die das Lehramt der Kirche so oft angeprangert hat, schlagen sich in unseren Tagen in einer Krise der wahren Freiheit beim einzelnen, in der Familie und in der Gesellschaft nieder.

Demgegenüber gilt immer noch die Botschaft Pauli über die von der Sünde befreite und durch die Gnade geheilte menschliche Freiheit. »Zur Freiheit hat uns Christus befreit« (Gal 5,1). Die Freiheit muß befreit werden. Ihr Befreier ist Christus. »Durch sein glorreiches Kreuz hat Christus allen Menschen das Heil erworben. […] Die Gnade Christi beeinträchtigt unsere Freiheit keineswegs, wenn diese dem Sinn für das Wahre und Gute entspricht, den Gott in das Herz des Menschen gelegt hat. Die christliche Erfahrung bezeugt vor allem im Gebet das Gegenteil: Unsere innere Freiheit und unsere Standhaftigkeit in Prüfungen sowie gegenüber dem Druck und den Zwängen der äußeren Welt nehmen in dem Maß zu, in dem wir den Anregungen der Gnade folgen. Durch das Wirken der Gnade erzieht uns der Heilige Geist zur geistigen Freiheit, um uns zu freien Mitarbeitern seines Werkes in Kirche und Welt zu machen.«

3. Die christliche Antwort auf die Freiheit – Die Betrachtung des gekreuzigten und auferstandenen Christus

8. Bei der tieferen Erkenntnis der wahren Bedeutung der Freiheit steht uns der Glanz der Wahrheit im gekreuzigten und auferstandenen Christus, der sich dem Vater aus freiem Willen als Opfer für seine Brüder und Schwestern angeboten hat, leuchtend vor Augen. »Der gekreuzigte Christus offenbart den authentischen Sinn der Freiheit, er lebt ihn in der Fülle seiner totalen Selbsthingabe und beruft die Jünger, an dieser seiner Freiheit teilzuhaben.« »Auf diese Weise ist die Betrachtung des gekreuzigten Jesus der königliche Weg, den die Kirche Tag für Tag gehen muß, wenn sie den ganzen Sinn der Freiheit verstehen will: die Selbsthingabe im Dienste an Gott und den Brüdern. Die Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn ist dann die unversiegbare Quelle, aus der die Kirche unablässig schöpft, um in der Freiheit zu leben, sich hinzugeben und zu dienen. […] Jesus ist also die lebendige und personifizierte Synthese von vollkommener Freiheit und unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Sein gekreuzigter Leib ist die volle Offenbarung der unlösbaren Bande zwischen Freiheit und Wahrheit, so wie seine Auferstehung vom Tode die erhabenste Verherrlichung der Fruchtbarkeit und heilbringenden Kraft einer in Wahrheit gelebten Freiheit ist.«

Im gekreuzigten und auferstandenen Herrn wird die Wahrheit der freien Hingabe sichtbar; da Jesus »die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Die Eucharistie ist das Sakrament dieser Liebe. Diese Wahrheit entspricht auch auf besondere Weise der Wahrheit über die Menschheit und dem Verständnis der Freiheit. Leben kann ein Mensch nur, wenn ihn ein anderer aufnimmt und akzeptiert, er Liebe erfährt und Liebe schenkt. »Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält.« Zum einen findet der Mensch Erfüllung, indem er sich in der Liebe verzehrt und so seine Grenzenlosigkeit erkennt. Andererseits ist Liebe eine besondere Art der Freiheit, denn wer liebt, bewegt sich unablässig auf die Freiheit zu: auf jene Freiheit, die ihn aus seinen Banden, aus seinem Selbst erlöst.

Das Brot der Freiheit und des Lebens

9. Die Betrachtung des Gekreuzigten und die Gabe der Liebe erklären viele heldenhafte Erfahrungen derer, die im Hören auf die Worte des Herrn und gestärkt durch das Brot der Eucharistie treu geblieben sind und die Wahrheit Gottes bezeugt haben. Diese Beispiele aus der Vergangenheit erinnern uns lebhaft daran, dass wir in unserer Gesellschaft die unlösbare Beziehung zwischen der Teilnahme an der eucharistischen Liturgie und der authentischen Freiheit der Kinder Gottes brauchen. Gestärkt vom Wort des Evangeliums und vom eucharistischen Brot treten wir in Gemeinschaft mit Christus und beten den Vater an im Geiste und in der Wahrheit, bezeugen Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern bis hin zum Geschenk des Lebens, und feiern und bekennen die Freiheit, zu der uns Christus befreit hat.

Wir müssen bedenken, dass wie in den ersten Jahrhunderten der Kirche die Eucharistie auch in unserem Jahrhundert das Brot der Freiheit ist, die Wegzehrung für Mut und Martyrium; in den Katakomben des zwanzigsten Jahrhunderts hat ihre Feier Raum gegeben für Glauben und Hoffnung und die neuen Märtyrer gestärkt, die im Zeugnis ihres Lebens und oft bis hin zum Tod die Würde des Gewissens und den Wert des Gehorsams gegenüber Gottes Gebot hochhielten.

Der Eucharistische Weltkongress kann Anlaß sein, der Märtyrer der christlichen Freiheit zu gedenken, die Bande der Gemeinschaft zu stärken und eine neue Gesellschaft zu bauen: eine Gesellschaft, die jeden Rückfall in die moralische Armut unseres Jahrhunderts ausschließt. Den Blick fest auf Christus, unser Osterlamm und unsere Befreiung, gerichtet, können wir zum wahren Sinn der Freiheit der Kinder Gottes erziehen.

II Die Eucharistie als Verkündigung und Geschenk der Freiheit

1. Christi freies Geschenk – Das Leben Christi: Ein Geheimnis der Freiheit

10. In der Feier der Eucharistie gewinnt der Gehorsam des Sohnes Gestalt, mit der sich Christus den Händen seiner Peiniger und den Händen des Vaters auslieferte. Das ganze Heilswerk Christi beruht auf dem Geheimnis seines grenzenlosen Gehorsams gegenüber dem Vater. Der Hebräerbrief sagt uns, wie Christus sein Erlösungswerk beginnt und bei seinem Eintritt in die Welt spricht: »Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, […] an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun« (Heb 10,5-7). Während seines öffentlichen Wirkens hat Christus das Programm seines Lebens mit den Worten veranschaulicht: »Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen« (Joh 4,34). Die Treue zu dem so verstandenen und oft wiederholten Programm findet ihren dramatischen Höhepunkt in der Todesangst in Getsemani und dem Tod am Kreuz. Am Ölberg beendet Christus die Qual seines geheimnisvollen Zögerns mit der heldenhaften Bereitschaft: »Mein Vater, … dein Wille geschehe« (Mt 26,42). Am Kreuz, mit der Vollendung seines Werkes in der Hinnahme des Todes, besiegelt er sein Lebensprogramm mit den Worten: »Es ist vollbracht« (Joh 19,30). Diese Worte sind die Zusammenfassung seiner lebenslangen Hingabe an den Vater; desgleichen sind sie der letzte Akt des von Christus vollbrachten Werkes, des Werkes der Erlösung und Wiederherstellung der Menschheit, der Wiedergeburt der Freiheit.

»Ein Tod, den er aus freien Stücken annahm«

11. Auf Christi freiwillige Hingabe wendet die christliche Tradition die Worte des Propheten Jesaja an (vgl. Jes 53,7; nach der Vulgata:) »Oblatus est quia ipse voluit« – »Er wurde geopfert, weil er es wollte«. Seine ungeschmälerte Freiheit bei der Vollendung des ihm vom Vater aufgetragenen Werkes wird ganz deutlich zu Beginn des »Buches der Herrlichkeit«, d.h. der Kapitel, in denen Johannes die ruhmreiche Leidensgeschichte des Herrn schildert.

»Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Wie diese Worte zeigen, war sich Christus am Gründonnerstag voll und ganz der Tatsache bewußt, dass der – für die gesamte Menschheit – historische Augenblick der Vollendung seines Auftrags gekommen war. Gekommen war dieser Augenblick auch wegen der Geschehnisse in den Morgenstunden jenes Tages, die in seinem Tod ihren Abschluß fanden: »gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,8). Die »Stunde Jesu« ist somit voll und ganz eingetaucht in Gehorsam und Liebe, und zu den wesentlichsten Augenblicken dieser Stunde gehört das Geheimnis der Eucharistie.

Indem er beim letzten Abendmahl die Erinnerung an sein Opfer einsetzte, äußerte Jesus auf unverkennbarste Weise die Freiheit, mit der er in unendlicher Liebe seinen Jüngern sein Fleisch und sein als Zeichen dieser freien und freiwilligen Hingabe vergossenes Blut reicht. In eucharistischen Gebeten der westlichen und östlichen Traditionen erinnert die Liturgie der Kirche an diese Freiheitsgeste Jesu: »Bevor er sich aus freiem Willen dem Tode unterwarf, nahm er das Brot…« »Vater, […] in Erfüllung deines Willens unterwarf er sich dem Tod.« Eine östliche Anaphora sagt dies deutlich: »Freiwillig nahm er, der ohne Sünde war, das Leiden auf sich für uns Sünder in der Nacht, da er verraten wurde, oder: in der er sich für das Leben und das Heil der Welt hingab.«

Diese liturgische Aussage erinnert uns Tag für Tag an den freien Akt der Liebe, mit der sich Christus für uns dem Vater anbot und sich Tag für Tag der Kirche hingibt, damit sie den Gläubigen eine Quelle wahrer Freiheit in der Selbsthingabe sei.

2. Das Geheimnis der Eucharistie – Die Eucharistie: Geschenk der Befreiung

12. Die eucharistische Liturgie der Kirche als Herzstück der Feier erinnert mit den Einsetzungsworten an die Gabe der Freiheit, mit der Christus uns befreit hat: »Als die Stunde gekommen war, da er sein Leben für unsere Befreiung hingab, nahm er das Brot…« »Stets liebte er die Seinen in der Welt. Als die Stunde kam , da er von dir, himmlischer Vater, verherrlicht werden sollte, bewies er die Tiefe seiner Liebe.« Die Eucharistie ist ein Geheimnis der Freiheit Christi, seines Geschenks der Befreiung, seiner Liebe bis zur Vollendung, denn nur Liebe macht frei.

In einer der ersten Predigten während seiner dritten »eucharistischen Pilgerreise« äußerte das der Hl. Vater Johannes Paul II. 1987 in Polen beredt: »Die Eucharistie ist Teil jener Stunde, der Erlösungsstunde Christi, der Stunde der Erlösung in der Geschichte der Menschheit und der Welt. Dies ist die Stunde, da der Menschensohn “bis zur Vollendung liebte”.« Bis zum Ende bestätigte er die rettende Macht der Liebe. Er offenbarte, dass Gott die Liebe ist. Nie hat es eine größere Offenbarung gegeben noch wird es sie je geben, nie eine radikalere Bekräftigung dieser Wahrheit: »Es gibt keine größere Liebe, als wenn jemand sein Leben […] hingibt« (Joh 15,13) für alle, »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10). In diesem Geheimnis der Liebe, die kraftvoller nicht ausgedrückt werden kann, in dieser »geschichtlichen Stunde« ist das Geheimnis des Gehorsams Jesu gegenüber seinem Vater unauflöslich mit seiner menschlichen Freiheit verbunden. Mit der Einsetzung der Eucharistie unterstreicht Christus, dass sie durch das »Vergießen seines Blutes« im Tod als Höhepunkt seiner Hingabe an den Vater im grenzenlosen Gehorsam des Sohnes aufs engste mit dem Neuen Bund zusammenhängt.

Vom alten zum neuen Paschamahl

13. »Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen« (Lk 22,15). [Hinweis d.Übers.: im englischen Text falsch als “Lk 22,14”] Die Einsetzung der Eucharistie wird auf diese Weise mit der großen Tradition des jüdischen Paschafestes in jährlicher Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten verknüpft und auf die Erinnerung an den Neuen Bund hingewendet.

Den Kernpunkt des Paschamahles Israels bildete die Erinnerung an die Befreiung. In den Gebeten der hebräischen Tradition finden wir diese beredten Worte als Begleittext zum Paschamahl:

»In jeder Generation ist jeder verpflichtet, sich zu betrachten, als ob er gleichsam selbst aus Ägypten weggegangen wäre. […] Darum sind wir verpflichtet, zu danken, zu loben, zu rühmen, zu preisen, zu erheben, zu verherrlichen, zu benedeien, Hochachtung und Verehrung zu erweisen, ihm, der an unseren Vätern und an uns all diese Wunder getan hat. Er hat uns von der Sklaverei zur Freiheit, vom Kummer zur Freude, von der Trauer zum Jubel, vom Dunkel ins Licht geführt«.

Mit seinem erlösenden Tod und seiner Auferstehung bringt Jesus das Paschafest zur Vollendung, wie Paulus sagt: »Als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden« (1Kor 5,7). Beim letzten Abendmahl setzt er das Gedächtnis seines Paschafestes ein und fordert seine Jünger auf, die Erinnerung an seinen hingegebenen Leib und sein vergossenes Blut zu feiern, bis er wiederkommt in Herrlichkeit.

Mit der Hingabe seines Leibes und dem Vergießen seines Blutes bekräftigt Christus unsere Befreiung und Erlösung von der Sünde; im Opfer des Neuen Bundes brachte er die Fülle unserer Befreiung und unsere Errettung mit der inneren Gabe des Heiligen Geistes zum Ausdruck und ruft uns zum ewigen Paschamahl in seinem Reich.

Die Eucharistie – Brot vom Himmel und Fleisch für das Leben der Welt, Geschenk von Auferstehung und Leben – ist wahrhaft Christus, das gestorbene und verherrlichte fleischgewordene Wort, und er führt uns aus dieser Welt mit sich zum Vater und verheißt endgültige Befreiung bei der Auferweckung am Jüngsten Tage (vgl. Joh 6,51-54).

In der Eucharistie sehen wir gleichsam in einem Spiegel, was uns in der Ewigkeit von Angesicht zu Angesicht zu schauen geschenkt wird, und so schultern wir die Last des Lebens erfüllt von der Kraft der Eucharistie und der Hoffnung auf »Wiederauferstehung«. Diese Hoffnung verleiht auch der menschlichen Freiheit besondere Eigenschaften. Sie lehrt Geduld, Ausdauer, Selbsthingabe und Opfer. Und sie lehrt uns, dass der auferstandene Christus Quelle und Maß der Fülle der Freiheit ist.

3. Die Feier der christlichen Freiheit – Die Gabe des Geistes

14. Der unauslöschliche Reichtum des Abendmahls vervollständigt gemeinsam mit der Gabe des Priestertums den Auftrag an die Apostel: »Tut dies zu meinem Gedächtnis« (1Kor 11,24; Lk 22,19). Wie tief und bedeutungsschwer ist dieses Gebot! Was im präzisen Augenblick dieser Stunde des Abendmahls in strengem Verbund mit den Ereignissen eines anderen Zeitaugenblicks desselben historischen Tages geschah, sollt ihr über die Grenzen der Geschichte hinaustragen als ein Ereignis, welches das neue Gottesvolk auf seinem Weg bis zum Ende der Zeiten begleiten wird. Für die Christen ist das Osterlamm wahrhaft eine Person, Christus selbst, und nicht etwa ein Ereignis der Vergangenheit. Vermittels der Auferstehung Christi bleibt es im »Heute« der Ewigkeit.

»Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (1Kor 11,26). Wir sind berufen zur Teilnahme an den Gaben der Erlösung und des Heils: Vergebung der Sünden, Geschenk des Heiligen Geistes. Die Befreiungserfahrung erneuert sich für uns insbesondere durch das Ausgießen des Geistes des Auferstandenen gleichsam in einem erneuerten Pfingsten, damit wir auf Christi Hingabe mit derselben Haltung frei geschenkter Liebe antworten: »Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, hat er den Heiligen Geist gesandt…«

Die befreiende Kraft der Liebe

15. Die Feier des Brotbrechens, die wir auch das »Herrenmahl« (1Kor 11,20) nennen, konstitutiert das Volk des Neuen Bundes, lässt den auferstandenen Herrn gegenwärtig werden, vereinigt alle, die teilhaben an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib sind in Christus und dem Heiligen Geist (vgl. 1Kor 10 ,16-17). Die in der Gemeinde weiter vorhandenen Spaltungen zeigen indes nach Pauli Worten ein unvollkommenes Verständnis der Urbedeutung der Eucharistie als Gemeinschaft mit Christus und den Brüdern und Schwestern (vgl. 1Kor 11,17-22).

Die Gemeinschaft der Liebe hingegen und das Teilen der Güter – Voraussetzung und Folge der Gemeinschaft mit Christus und in der Kirche – sind beredtester Ausdruck der Tatsache, dass die Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, alle Eigensucht überwindet und den Gläubigen geschenkt worden ist, die das neue Volk bilden (vgl. Apg 2, 42-45).

Irenäus von Lyon war von der Freiheit, die Christus gebracht hat, so beeindruckt, dass er die ersten Jünger »Prediger der Wahrheit und Apostel der Freiheit« nannte. Er stellt die Eucharistie der Christen unter dem Blickwinkel der Freiheit dar. Als Gabe des Herrn ist die Eucharistie ein Angebot an Menschen, die frei sind. Selbst inmitten der Verfolgungen verstanden und bezeugten die ersten Christengemeinden, dass die eucharistische Feier Quell einer großen Dynamik der Liebe ist. Diese Liebe ließ sie alle zu Brüdern und Schwestern werden, ein neues Volk bilden, erzog sie zum Mut für das Zeugnis bis hin zum Martyrium, ließ sie die Gesellschaft durch Liebe und einen neuen, sozialen Sinn erneuern mit der Kraft der eucharistischen Feier, die sich im Teilen der Güter und der Hilfe für die Notleidenden äußerte.

III Erziehung zur Freiheit im Lichte der Eucharistie

1. Der Primat des Wortes bei der Evangelisierung

Evangelisierung und Katechese

16. Die Vorbereitung des 46. Eucharistischen Weltkrongresses, da sich die Kirche auf dem Weg befindet zum Großen Jubeljahr 2000, bietet großartige Gelegenheit, die wahre Bedeutung der Eucharistie zu »verkünden« und die Neuevangelisierung der christlichen Gemeinschaft auf der Basis der Eucharistie unablässig fortzusetzen. Die Eucharistie vereint Wort und Sakrament. Das Sprechen Christi wird zur Gemeinschaft mit Christus. Was verkündet wird, wird Wirklichkeit. Die Form der Verkündigung verändert sich. Evangelisierung wird zur Verkündigung des heutigen Handelns Gottes und schafft vermittels der Eucharistie das größte Ereignis der kirchlichen Gemeinde – eine vom Wort im Bezug auf das Sakrament und schon gar auf das fleischgewordene Wort, die Eucharistie, versammelte und gestaltete Gemeinde.

Die Predigt muß den Forderungen der Evangelisierung und Katechese entsprechen, wie sie in unseren Gemeinden erfahren werden; die Lesungen bieten hierzu reichhaltige Gelegenheit. Wir müssen auch an die Getauften denken, die alten wie die jungen; wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einer dem Christentum kritisch gegenüberstehenden Gesellschaft leben und die Gläubigen im Glauben gestärkt werden müssen, damit sie inmitten der Welt ihre Hoffnung bezeugen.

Die richtige persönliche und gemeinschaftliche Praxis der Lesung des Gotteswortes, der »lectio divina«, kann sich im Verein mit einer Predigt, die sowohl die Bedürfnisse des heutigen Menschen als auch die zeitlose Antwort der Offenbarung anspricht, für die Vorbereitung des Eucharistischen Kongresses als sehr fruchtbringend erweisen.

Verkündigung der Eucharistie zur Evangelisierung der Freiheit

17. In seinem Brief an die Korinther reagierte Paulus auf mögliche Verzerrungen des eucharistischen Geheimnisses und auf Interpretationen, die dessen erlösende Wirklichkeit und das damit geforderte Bekenntnis zum Glauben und Leben schmälerten. So müssen auch wir im Lichte des Lehramtes der Kirche unermüdlich der authentischen Bedeutung der eucharistischen Offenbarung Ausdruck geben.

Wir müssen liebevoll der tiefen Wahrheit der Worte lauschen, mit denen Christus der Herr und die apostolische Gemeinde die volle Bedeutung der Eucharistie in der Heilsgeschichte äußerten, in deren Mitte das Ostergeheimnis steht. Nur so können wir das unerschöpfliche Licht dieses Geheimnisses im Mittelpunkt von Glauben, Gottesdienst und Leben des Gottesvolkes freisetzen.

Überdies erlaubt die mit der Wortverkündigung untrennbar verbundene Eucharistie eine fortlaufende Neuevangelisierung der christlichen Gemeinschaft, damit die Lehre Christi in den Köpfen der Menschen ertönt und in ihren Herzen Wurzeln schlägt und ihnen so die Gabe der wahren Freiheit vermittelt, die Er seinen Jüngern schenkt. Das geschieht im Rahmen derselben Logik, mit der Christus selbst den Weg aufgewiesen hat, der vom Hören zur Erfahrung der Freiheit führt: »Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien« (Joh 8,31-32).

Zuerst müssen wir dem Wort treu bleiben. Das setzt ein enges Band mit dem Herrn, seiner Lehre und seinem Leben voraus. Treue zum Wort ist wesenhafte Voraussetzung, um Jünger zu sein. Diese Gemeinschaft vermittelt eine Gabe, die vielleicht nur die Jünger zu schätzen in der Lage sind, wenngleich sie von allen gesucht wird: die Erkenntnis der Wahrheit. Die Wahrheit des Evangeliums befreit; sie schenkt zugleich jenes von allen ersehnte hohe Gut: Freiheit als Geschenk Gottes, Fähigkeit zur Liebe und Hingabe des Ich ohne Sklaverei noch Zwang. Doch nur die Wahrheit, Christus, der die Wahrheit ist, macht uns frei. Frei von der Konditionierung zur Fehlbarkeit durch die Sünde, frei von der Selbstsucht; in positivem Sinne frei zur Hingabe und Selbsthingabe bis hin zur Aufopferung des Lebens im Dienste Gottes und unseres Nächsten. In einer Zeit, da das Problem der Freiheit so heftig verfochten wird, ist und bleibt es entscheidend, Christi Wort der Wahrheit und seiner befreienden Kraft zu begegnen.

2. Die Gabe der Bekehrung und der Weg der Heiligkeit

Bekehrung und Eucharistie

18. Die erste Frucht der uns frei machenden Wahrheit ist die volle Selbsterkenntnis, die zur Bekehrung führt. Ohne Bekehrung gibt es keine Erfahrung wahrer christlicher Freiheit.

Am Anfang der christlichen Freiheit steht die Erkenntnis, dass wir der Vergebung bedürfen. Nur so kann authentische christliche Verwandlung geschehen. Was bedeutet diese geistige Verwandlung? Negativ bedeutet sie die Abkehr von allem, was die innere Integration der Person bedroht: Abkehr also von der Sünde, Errettung von allem Negativen und Bösen, von der Sünde. Positiv ist Bekehrung die Gabe einer Freiheit, die die dem eigenen Wesen inhärenten Qualitäten zu entwickeln erlaubt und die menschliche Person vermittels der ihr vom Schöpfer geschenkten Fähigkeiten zur Erfüllung bringt.

Wenn wir vom Ideal eines befreiten Menschen sprechen, einem Ideal, das die Kirche verwirklichen muß, dann sprechen wir von dem, was bereits in der menschlichen Person herangereift ist, von den Talenten, die sie durch göttliche Gnade erlangt hat und die es nun zu nutzen gilt. Wir sprechen vom Reifen und Sich-Entwickeln der Freiheit. Wir sprechen von der Hilfestellung bei der menschlichen und sozialen Entwicklung, der Hilfestellung vermittels Erfahrung und Gnade, Beratung, theologischem Wissen und Gebet: Das ist pastorale Fürsorge und Erziehung, das ist Heranbildung zur Freiheit.

Alles aber beginnt und wird gefeiert im Geheimnis und Dienst der Versöhnung, im Sakrament der Buße. Ohne sie kann es keine wahre Bekehrung geben, die unter kirchlicher Mittlerschaft besiegelt wird, die im Namen Christi das Wort der Versöhnung ausspricht, zur Versöhnung mit Gott ruft, Gnade verleiht, Sünden vergibt und von Schuld befreit.

Die Vorbereitung des Eucharistischen Kongresses muß das Bewußtsein wahrer Freiheit durch das Sakrament der Buße intensivieren durch die frohe Erfahrung, dass uns vergeben wurde, damit wir auch Sauerteig der Versöhnung, der Vergebung und des Friedens in Kirche und Gesellschaft werden.

Weg zur Heiligkeit, Weg zur Freiheit

19. Gemeinsam mit der Evangelisierung und Bekehrung muß eine pastorale Vorgehensweise, die ihren Mittelpunkt in der Beziehung zwischen Eucharistie und Freiheit hat, eine konkrete Pädagogik fürs Leben mit dem Wort Gottes liefern. Sie ergibt sich aus dem »Glauben an das Evangelium« und aus jener Nachfolge Christi, die Grundlage jeder Bekehrung in totaler Hinwendung zum Herrn und seiner Sache ist.

Die überzeugende Kraft der christlichen Wahrheit wird konkret erfahren in der Freiheit der Kinder Gottes, im Glaubensgehorsam und in der Heiligkeit, die den Weg zur Freiheit des Evangeliums bildet. Johannes Paul II. sagt: »Insbesondere ist es das Leben in Heiligkeit, das in so vielen demütigen und oft vor den Blicken der Menschen verborgenen Gliedern des Volkes Gottes erstrahlt, was den schlichtesten und faszinierendsten Weg darstellt, auf dem man unmittelbar die Schönheit der Wahrheit, die befreiende Kraft der Liebe Gottes, den Wert der unbedingten Treue, selbst unter schwierigsten Umständen, angesichts aller Forderungen des Gesetzes des Herrn wahrzunehmen vermag.« Einer Wahrheitserkenntnis, die von innen her überzeugt, offenbart christliche Heiligkeit die Schönheit des göttlichen Plans, die befreiende Kraft der Liebe, den Wert der Treue.

In diesem Zusammenhang kommt der Eucharistie zentrale Bedeutung zu, wie der Papst unterstreicht: »Durch die Teilnahme am Kreuzesopfer hat der Christ Gemeinschaft mit der Opferliebe Christi und wird dazu befähigt und verpflichtet, dieselbe Liebe in allen seinen Lebenshaltungen und Verhaltensweisen zu leben. In der sittlichen Existenz offenbart und verwirklicht sich auch der königliche Dienst des Christen: Je mehr er mit Hilfe der Gnade dem neuen Gesetz des Heiligen Geistes gehorcht, desto mehr wächst er in der Freiheit, zu der er im Dienste der Wahrheit, der Liebe und der Gerechtigkeit berufen ist.«

3. Vom eucharistischen Gebet zum Gebet um Freiheit

Eucharistisches Gebet

20. Da die wahre Freiheit der Kinder Gottes eine Gabe von oben, ein Teilhaben am Wesen Gottes ist, verlangt sie demütiges und inbrünstiges Gebet seitens der Kirche und jedes Gliedes der Gläubigen. Die Kirche feiert die Eucharistie mit einer Vielzahl von Anaphoren und Gebeten aus Ost und West und bringt auf herrliche Weise die Bedeutung des gefeierten Ostergeheimnisses zum Ausdruck.

Eine gute Vorbereitung auf den Eucharistischen Weltkongress und dessen reife Frucht könnte die Neuentdeckung der Theologie und Spiritualität der eucharistischen Gebete und deren Verknüpfung mit dem Geschenk der Freiheit sein, zu der uns Christus befreit hat.

Bei der Wiederentdeckung der Gebetsdimension der Eucharistie und der Ausrichtung unseres persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets nach den Haltungen Christi und der Kirche mögen einige pädagogische Hinweise von Nutzen sein.

Danksagung für die Gabe

21. Zuallererst müssen wir uns die erlösenden Taten ins Gedächtnis rufen, mit denen der Herr in der ganzen Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zur Erlösung und im Warten auf die vollkommene Freiheit der Kinder Gottes in der Herrlichkeit für unsere Befreiung Großes getan hat. Die Erinnerung daran löst Preis, Lob, Dank für die Eucharistie aus.

Im Magnifikat, das der Kirche als Lobpreisung dient, fordert uns die Gottesmutter auf, den Herrn zu preisen für die großen Taten, die er an seinem Volk gewirkt hat und in der Heilsgeschichte der Kirche und Völker weiterhin vollbringt.

Der Eucharistische Weltkongress muß ein großer Akt des Dankes sein für die wiedergewonnene Freiheit, mit der Christus in der Eucharistie von der »Statio Orbis« Osteuropas bis ans Ende der Welt ausstrahlt.

Anrufung des Geistes

22. Freiheit ist eine Gabe des Heiligen Geistes. In der Eucharistie bitten wir den Heiligen Geist, unsere Gaben zu heiligen, sie in Leib und Blut Christi zu verwandeln und die liturgische Versammlung zu einem Leib und einem Geist zu machen. Auf dieselbe Weise muß unablässig inbrünstiges Gebet zum Vater aufsteigen und darum bitten, dass durch die Gabe des Heiligen Geistes – die wahre Freiheit in Liebe – die befreiende Kraft der Liebe fest verankert werde in den Herzen der Gläubigen, in den Gemeinden, in den Familien, in der Gesellschaft, zum Aufbau einer neuen Welt.

Die einzigartige Heilige, die in ihrem Gebet den Pfingstgeist anrief und erwartete, ist ein Modell für anhaltende und vertrauensvolle Anrufung.

Der Eucharistische Kongress muß eine intensive und chorhafte Anrufung der ganzen Kirche sein im Gebet, dass wahre Freiheit in den Gewissen Wurzeln schlage, in den Menschen gefestigt werde und auf jene Völker übergreife, die noch nicht im Genuß voller bürgerlicher und religiöser Freiheit sind, damit auch sie frei von Behinderung und Einschränkung frei dem wahren Gott huldigen.

Angebot eines freien Herzens

23. Die Quelle wahrer Freiheit für die ganze Menschheit ist das freie Selbsthingabe an den Vater, mit der uns Christus erlöst und geheiligt hat. Wesentliche Voraussetzung für das Freisein und für die Förderung der Freiheit ist daher unsere demütige und überzeugte Selbsthingabe mit der Freiheit, die den Menschen in seinem Gottesbezug adelt und das würdigste Geschenk darstellt, das Gott gemacht werden kann. In der Gemeinschaft mit Christus lehrt uns das eucharistische Gebet, unser Leben unablässig als Opfer anzubieten als gottgefälligen Gottesdienst (vgl. Röm 12,1-2). Mit unserem »Ja« geben wir Gott, was Gottes ist, damit sich der rettende und heiligende göttliche Wille in uns vollende.

Die Mutter des Herrn, die Jungfrau, die sich Gott bei der Verkündigung hingibt und Christus im Tempel und auf dem Kalvarienberg aufopfert und diese Geste mit der freien Selbstaufopferung begleitet, ist ein unvergleichliches Vorbild für die Kirche, für die Hingabe unserer Freiheit an Gott und unsere Bereitschaft zur Mitwirkung an Gottes Heilsplan.

In Erkenntnis der Gabe der persönlichen und sozialen Freiheit muß der Eucharistische Kongress unsere gläubige und liebende Antwort erleichtern, die in der Hingabe unserer selbst mit Christus liegt. Auf diese Weise kann die Kirche im Wissen um die erhaltenen Gaben mit Gott darauf hinwirken, dass die wahre Freiheit in den Herzen, in der Gesellschaft, in den Familien und im Zusammenwirken der Völker Wurzeln schlägt.

Universelle Fürbitte

24. Im eucharistischen Gebet vertraut sich die Kirche der Gemeinschaft der Heiligen und der Mittlerschaft Christi an und leistet beim Vater im Heiligen Geist universelle Fürbitte für die Nöte der Menschheit. Angesichts der Gestalt unserer Gesellschaft, der falschen Konzepte und Geisteshaltungen einer unbefreiten und unerlösten Freiheit, angesichts der bitteren Früchte der Selbstsucht, die versklavt und die Würde der menschlichen Person leugnet, muß aus dem Herzen jedes Gläubigen eine mächtige Fürbitte für die Opfer von Haß, Gewalt und Ausbeutung zum Himmel steigen, eine Fürbitte, die die Liebe Christi zum Ausdruck bringt.

Maria, die Mutter der Kirche, stellt in ihrer Fürbitte in Kana und in ihrer mütterlichen Mittlerschaft für alle im Himmel das Musterbeispiel vertrauensvollen und universellen Betens dar und ist Ausdruck der Liebe, mit der wir uns unseren Brüdern und Schwestern in der Not zuwenden müssen.

Auch bei dieser Gelegenheit muß der Eucharistische Kongress im Blick auf Christus, dem »Ersehnten und Befreier der Nationen«, der eucharistischen Sonne der Wahrheit und Gnade, deren Strahlen die Welt und die Geschichte der Menschheit erleuchten, eine große Fürbitte auslösen, auf dass die um so hohen Preis erworbene Freiheit bleibe und in allen Völkern Wurzeln schlage.

4. Gegenwart, Anbetung, Freiheit

Vor dem Geheimnis stehend

25. Die letzte Dimension der Wahrheit über die Eucharistie ist ihr Geheimnis: die heilende Gegenwart Christi unter den Gestalten von Brot und Wein. So wollte der Herr immer in seiner Kirche gegenwärtig bleiben als Emmanuel, Gott mit uns.

Ist die Eucharistie auch in allen ihren Erscheinungsformen ein Geheimnis der Gegenwart, so wird dieser Aspekt doch besonders sichtbar im stillen Gebet am Tabernakel und in den verschiedenen traditionellen Formen der eucharistischen Anbetung. Damit wird es uns möglich, vor Gott zu bleiben, das Geheimnis und Geschenk der Anwesenheit Gottes zu erkennen. In der Betrachtung des eucharistischen Geheimnisses scheinen sich die Größe Gottes und die Endlichkeit des Menschen zu begegnen.

In unserer Zeit ist die Dimension des Geheimnisses weitgehend abhanden gekommen. Die Wahrheit der geistlichen Dimension des Menschen scheint von einem Modell erstickt zu werden, das sich aus einer weltlichen Aktivität speist, die als einzige dem Menschen würdige Lebensform gilt. Doch immer wird sich der Mensch als endlich erfahren, jedenfalls in dem Sinne, dass er nicht allmächtig, nicht die letzte Wirklichkeit, sondern von einem undurchdringlichen Geheimnis umgeben ist. Die Wahrheit der Eucharistie als Geheimnis lässt den Menschen sich selbst in seiner tiefsten Dimension als Ausdruck eines unwandelbaren Geheimnisses durch die Transzendenz des Geistes begreifen. Nur in diesem Zusammenhang des Gottesgeheimnisses wird das Menschheitsgeheimnis klar. Das Geheimnis des Menschen, der Welt und der Menschengeschichte weist immer über die Menschheit hinaus und auf Gott hin.

Anbetung und Gebet: Begegnung zweier Freiheiten

26. Die sakramentale Gegenwart Christi ruft jeden Gläubigen zu einem für den Transzendenten offenen Akt des Glaubens und der Anbetung in einer Begegnung stiller Anbetung auf. Das göttliche »Du« wendet sich an das menschliche »Du«, offenbart und erfüllt es.

Damit das Gebet authentisch christlich werde, bedarf es wesentlich der »Begegnung zweier Freiheiten, der unendlichen Freiheit Gottes mit der begrenzten des Menschen«. Im Klima der Zivilisation von heute gehen Meditation, Besinnung, Erinnerung und Staunen verloren. Das hat auch auf das Glaubensleben zurückgewirkt. Heute fällt es den Menschen, sogar Gläubigen, schwer, in Gottes Gegenwart zu bleiben im Geiste der Anbetung und Verherrlichung, des Dankens, der Sühne und Weihe, des Gebets und der Fürbitte, der einem freien, weil zur Gotteserkenntnis fähigen Herzen entspringt.

Vor dem hochheiligen Sakrament ermöglicht die Betrachtung des Geheimnisses diese wesentliche Begegnung mit Christus abseits von der Hektik und Oberflächlichkeit, in der wir immer wieder leben. Nur im Heiligtum des vom Glauben erleuchteten Gewissens, im Bewußtwerden, dass wir uns »in der Gegenwart Gottes befinden«, kann die Erfahrung einer wahren Freiheit geschehen, die sich in freier Antwort auf die Liebe Gottes und angesichts der Wahrheit äußert, die Gottes und die unsrige ist.

Die Eucharistie als Geheimnis der Gegenwart lädt zur Anbetung ein. Über das notwendige Verhältnis zwischen Freiheit und Anbetung schreibt Johannes Paul II .: »So sollen die wahren Anbeter Gottes diesen “im Geist und in der Wahrheit” anbeten (Joh 4,23): durch diese Anbetung werden sie frei. Der Zusammenhang mit der Wahrheit und die Anbetung Gottes werden in Jesus Christus als der tiefsten Wurzel der Freiheit offenbar.«

5. Die wahre christliche Freiheit feiern und leben

Aufmerksamkeit für die Eucharistiefeier

27. Wie lässt sich der Zusammenhang zwischen Eucharistie und Freiheit in der Praxis konkreter herausstellen? Wie können wir dazu erziehen, dass dieser Zusammenhang in der Welt von heute klarer und wirksamer wird?

Dazu brauchen wir ein neues pastorales Handeln. Hier einige Anregungen dazu:

a)Zuerst muß der Qualität der Eucharistiefeier besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ein Klima des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe muß alles durchdringen, so dass die Feier zu einem Fest des Glaubens des Volkes Gottes, zu einer Freudenäußerung der Begegnung mit dem Herrn wird. In einem solchen Klima erfahren wir die Gnade, von Christus berufen, von ihm zur Jüngerschaft geformt, mit ihm in der Eucharistie eins zu sein, um furcht- und komplexlos als frohe Zeugen unseres Glaubens auf den Wegen der Welt zu wirken.

b)Immer noch gilt es, alle Anregungen der nachkonziliaren liturgischen Erneuerung in die Praxis umzusetzen, um der Eucharistiefeier – in Pfarreien, Gemeinden und Gruppen – ihr wahres Bild als Ostermahl zurückzugeben und die Freiheit zu feiern, zu der uns der Herr befreit hat. Elemente dazu bilden eine geeignete Auswahl der Texte und Gesänge, eine volle Mitwirkung der Versammlung, ein Verständnis der Riten und eine sinnvolle Nutzung liturgischer Symbole. Ein jedes muß beitragen zum passenden Ausdruck der österlichen Bedeutung der Eucharistie. Auf diese Weise auch wird die tägliche Messe durch die Begegnung mit dem Herrn die Christen zu lebendiger Zeugenschaft in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Schule befähigen.

Zentrale Bedeutung des Sonntags

28. Ein Wesensmerkmal christlichen Lebens steht unter starkem Beschuß der zeitgenössischen Kultur. Wir meinen damit den Sonntag als Tag des Herrn und Tag der Kirche. Der freie Tag gilt mehr und mehr als etwas Weltliches und der Erholung Dienendes, während der christliche Sonntag eher jenseits der Sphäre der Öffentlichkeit angesiedelt wird. Gegenüber der Alternative eines einzig der Ruhe und dem Vergnügen gewidmeten Wochenendes muß die christliche Gemeinschaft die geheiligte Bedeutung des Sonntags als Raum der Freiheit für die Anbetung Gottes und die Bekundung der Gegenwart Gottes inmitten unserer Gesellschaft betonen.

Eine angemessene Feier des Tages der Auferstehung des Herrn, das wöchentliche Paschamahl, muß genügend Zeit bieten für den Gottesdienst, insbesondere die Eucharistie und andere liturgische und andächtige Übungen; sie muß zugleich genügend Raum lassen für die Ruhe, das Familienleben, das Treffen mit Freunden und Werke der Nächstenliebe. In der jüdischen Tradition war und ist die Einhaltung des Sabbats beredtes Zeichen der Ruhe des Herrn nach seiner Arbeit und zeitlose Erinnerung an die Befreiung des Gottesvolkes aus der ägyptischen Sklaverei (vgl. Dtn 5, 13-15). Als Gedächtnis der Auferstehung des Herrn muß der Sonntag auch freudiger Ausdruck der österlichen Freiheit des Volkes Gottes sein.

Die ganze Woche über müssen wir in den »scholae cantorum«, in Chören, Schulen, Katechismus- und Bildungsgruppen ebenso wie in der Familie uns auf den Sonntag vorbereiten lernen, damit das Fest der Eucharistie lebendiges Gedenken an die Erinnerung Christi als Quelle und Höhepunkt des geistigen und kulturellen Lebens sein kann; kurzum: Es muß der intensivste Moment der kirchlichen, gemeindlichen, familiären und sozialen Wirklichkeit sein.

6. Von der Eucharistie ins Leben

Eucharistie und Nächstenliebe

29. Die durch Lesung und Wortbetrachtung vorbereitete Eucharistiefeier als Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche findet durch Liebe und Nächstenliebe im gesellschaftlichen Leben Bestätigung. »Der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern… Das evangelische Zeugnis, das die Welt am ehesten wahrnimmt, ist jenes der Aufmerksamkeit für die Menschen und der Liebe zu den Armen und den Kleinen, zu den Leidenden.«

Die eucharistische Liturgie muß die Grundlage bilden für die Liebe und zu ihr anregen. Führt sie nicht zum Dienst an der Menschheit, zur Hilfe für die Armen und Leidenden, so hat sie ihr Ziel verfehlt. Schlägt sich die Eucharistiefeier nicht in gegenseitiger Hilfe der daran Teilnehmenden nieder, dann fehlt der eucharistischen Gemeindschaft ein wesentliches Element. Je mehr andererseits die Liturgie das innere Bedürfnis auslöst, zu dienen und Liebe zu schenken, desto häufiger wird Liebe zeugnishaft bekundet und fordert zugleich wirksamer zur liturgischen Mitwirkung auf. Im Umfeld des Egoismus und der moralischen Sklaverei unserer Gesellschaft erhält die Eucharistie auf diese Weise besondere Glaubwürdigkeit in den Augen der Zweifelnden und Ungläubigen. Christus ist in der Eucharistie, in den Sakramenten und in seinem Wort gegenwärtig; desgleichen ist er gegenwärtig in allen Bedürftigen. Die große patristische Tradition betont beispielsweise vertreten durch den heiligen Johannes Chrysostomus den Zusammenhang zwischen dem Sakrament der Eucharistie und dem Sakrament der armen und bedürftigen Brüder und Schwestern; er erinnert an Christi Wort: »Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben… Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,35-40).

»Damit die Erde zum Himmel werde«

30. In den ersten Jahrhunderten der Kirche unterstrich die Tradition der Nächstenliebe und das soziale Leben diese Pflicht, die Eucharistiefeier mit sozialer Nächstenliebe zu verbinden, in einem Satz des heiligen Johannes Chrysostomus, der auch heute Leitsatz des eucharistischen Lebens sein könnte: durch Werke der Barmherzigkeit die aus der Eucharistie sprudelnde Nächstenliebe zu leben, »damit die Erde zum Himmel werde«. Die Eucharistiefeier ist ein dringender Aufruf, vom Altar der Eucharistie die erneuernde Kraft einer befreienden Nächstenliebe in die Welt zu tragen.

Heute muß angesichts eines verzerrten Freiheitsbegriffs oder fortdauernder Unterdrückung das Leben vieler unserer Brüder und Schwestern wieder zur authentischen Erfahrung der Würde der Kinder Gottes zurückfinden. Die versammelten Christen begeben sich nach der Feier der österlichen Freude auf die Straßen der Welt, um wie die Jünger von Emmaus zu verkünden, dass sie die Stimme des Herrn gehört und ihn am Brotbrechen erkannt haben. Indem sie Freude und die aktive Liebe der Werke der Barmherzigkeit an den Geringsten, den Kleinen, säen, mit denen sich der Herr identifiziert, tragen sie die in der Eucharistiefeier erlebte Erfahrung des »Himmels auf Erden« auf eine Erde, die für viele alles andere als ein Himmel, sondern Ort des Leidens und der Sklavenschaft ist.

Die Gemeinschaft muß sich von den Nöten der Armen, Kranken, Schwachen, Leidenden, Gefangenen und Unterdrückten anrühren lassen, denn diese Nöte offenbaren sich und werden deutlich in einem übernatürlichen Licht. Sie müssen Anreiz sein für das liturgische »Sammlungsgebet«, aber auch für die »Kollekte« der Gabenspende und des Einfallsreichtums in der Nächstenliebe. Die Gaben müssen sorgfältig gesammelt, aber auch mit nicht geringerer Sorgfalt verteilt werden im Einvernehmen mit den Vertretern der Gemeinde. Auf diese Weise setzt sich die besondere Konzentration auf die Liebe in der Eucharistie als Gottesdienst in konkretem menschlichem Dienst fort und gestaltet ein menschenwürdiges Dasein.

Die von der Eucharistie erleuchteten Christen müssen Erbauer wahrer Versöhnung zwischen Personen, Familien und Völkern sein; sie müssen an einer positiven Befreiung mitwirken und die Kräfte der Wahrheit, der Güte, der Schönheit und der Gerechtigkeit in unsere Welt tragen.

Abschließende Zusammenfassung

Die Kräfte des Guten freisetzen

31. Zum ersten Mal wird ein Eucharistischer Weltkongress – der 46. – in Polen stattfinden. Damit wird das Band zwischen dem Geheimnis der Eucharistie und der von Christus geschenkten Freiheit deutlich. Der Kongress muß als Chance für eine Neuevangelisierung genutzt werden und neue Begeisterung wecken: den Eifer der Priester und der Institute des geweihten Lebens, den Eifer von Kirchenbewegungen und anderen Ausdrucksformen der Laien, den Eifer der Jugend. Alle müssen ihren Beitrag leisten zur Entwicklung des liturgischen Lebens im Verein mit wohltätigen, kulturellen und sozialen Werken. Treffpunkt aller dieser Gruppen muß die Pfarrei sein, die auf besondere Art die eucharistische Gemeinschaft darstellt.

Die Kirche bereitet sich auf die Feier des Großen Jubeljahres 2000 vor, das so eng verbunden ist mit der Erfahrung der wahren Freiheit und Befreiung auch im sozialen Bereich. In diesem Zusammenhang muß die Eucharistiefeier dazu beitragen, dass den Gefangenen Freiheit, den Betrübten Freude, den Kranken und Zweifelnden Gesundheit und Hoffnung, den Einsamen Gefährtschaft, den Armen Hilfe zuteil wird.

Möge die Gnade der verkündigten, gefeierten, mitgeteilten und angebeteten Eucharistie den Bann der Unterdrückung, des Hasses und der Selbstsucht brechen helfen. Möge sie eine große Nächstenliebe auch im sozialen Bereich in Bewegung setzen dank aufrichtigen Engagements, das bis zur Aufopferung des eigenen Lebens für andere reicht. Möge sie durch die Kultur der Gemeinsamkeit und Einheit den Ländern des Ostens, für die eben erst eine lange Zeit der Unterdrückung zuende gegangen ist, und allen Völkern der ganzen Welt neue und völlig andere Horizonte erschließen. Damit werden die Jünger Jesu zur Saat einer neuen Gesellschaft, in der in gegenseitiger Solidarität einer des anderen Last trägt und in der die innerlich Freien und Versöhnten Glück und sozialen Frieden erfahren.

Zur endgültigen Freiheit unterwegs

32. Auf all dieses dürfen wir uns freuen, denn die Eucharistie deutet die christliche Hoffnung auf ganz eigene Weise. Sie zeigt, dass die Aktivität und das Streben der Menschen und die menschliche Freiheit zu allem Guten für sich allein die Erfüllung in dieser Welt nicht zu leisten vermögen. In seiner transzendenten Hoffnung hegt der Mensch Sehnsüchte, Träume und Wünsche, die menschliche Mühe allein niemals befriedigen kann. Der Weg zu ihrer Erfüllung führt nicht nur zum Tode. Der Weg zu ihrer Erfüllung liegt nicht in der historischen, sondern in der transzendenten Zukunft. Nur in der Herrlichkeit kann die Menschengeschichte zur Erfüllung gelangen.

Das Zweite Vatikanische Konzil betonte im Blick auf den Wert menschlichen Tuns im Lichte des Ostergeheimnisses die Bedeutung einer Freiheit, die nur vollständig sein kann, wenn die ganze Menschheit dem Vater als annehmbare Opfergabe dargeboten wird (vgl. Röm 15,16). Auf unserem Weg in diese Zukunft schenkt uns die Kirche diesen Trost: »Ein Angeld dieser Hoffnung und eine Wegzehrung hinterließ der Herr den Seinen in jenem Sakrament des Glaubens, in dem unter der Pflege der Menschen gewachsene Früchte der Natur in den Leib und das Blut des verherrlichten Herrn verwandelt werden zum Abendmahl brüderlicher Gemeinschaft und als Vorfeier des himmlischen Gastmahls.«

Mit Maria, der Mutter Jesu

33. Das Programm des Eucharistischen Kongresses enthält unausgesprochen die Überzeugung, dass unsere Einbeziehung in Christus möglich ist durch die mütterliche Mittlerschaft der Gottesmutter Maria. Das ist nicht nur eine Pflichtübung der Verehrung der Gottesmutter als Tradition der Kirche und in besonderer Weise Polens und der Länder des Ostens.

Die Kirche erblickt in Maria das Musterbeispiel der Befreiung. Die Freiheit ist den Menschen nicht nur zur Selbstbestätigung, sondern auch zur Selbsthingabe in Liebe geschenkt worden. Dies heißt anzunehmen, dass der Mensch sein Wesen gestaltet, indem er sich frei zu den Gemeinschaften bekennt, deren Urzelle die Familie ist, an die sich die örtliche und berufsmäßige Gemeinschaft, die Nation und die Völkergemeinschaft anschließen. Diese Haltung treuer Selbsthingabe ist eine Kraft, deren hervorragendes Beispiel die Gottesmutter Maria darstellt, die allezeit solidarisch ist mit Gott und dem Volk Gottes.

Johannes Paul II. fordert uns auf, in der Jungfrau der Verkündigung, die sich freiwillig hingibt an das Versöhnungswerk des Vaters, in der Jungfrau des Magnifikat, deren Gesang dem Heilswerk Gottes in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gilt, die Einzigartige zu betrachten: »Ganz von Gott abhängig und durch den Glauben ganz auf ihn hingeordnet, ist Maria an der Seite ihres Sohnes das vollkommene Bild der Freiheit und der Befreiung der Menschheit und des Kosmos.«

Schon jetzt empfehlen wir die Feier des 46. Eucharistischen Weltkongresses in Wroclaw ihrer mütterlichen Fürbitte. Möge Frucht in Fülle der Eucharistie entspringen, damit die Menschheit und die Völker, erleuchtet und gespeist durch Christus, das Licht der Welt und vom Himmel gekommene Brot, die wahre Freiheit erlangen, zu der Er, der Erlöser der Menschheit, uns befreit hat (vgl. Gal 5,1).

Wort des Breslauer Metropoliten Henryk Kardinal Gulbinowicz

Das Wort des Breslauer Metropoliten
zum Beginn der 9monatigen Novene
vor dem 46. Internationalen Eucharistischen Kongress

 

Die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes

 

Liebe Schwester und Brüder im Herrn.

 

Die Weltkirche wird im Jahre 1997 den 46. Internationalen Eucharistischen Kongress feiern. Er findet von 25. Mai bis 1. Juni in Breslau statt. An diesem Kongress werden unser großer Landsmann, der Heilige Vater Johannes Paul II. und die Vertreter vieler Völker der Welt, wie auch unserer Schwesterkirchen, teilnehmen.

 

Dieses große Ereignis ist eine Ehre für die Ortskirche von Breslau und gleichzeitig für ganz Polen. Es führt uns dazu, tiefer und vollkommener die unbeschreibliche Gabe zu entdecken., die uns unser Herr Jesus Christus in der Heiligen Eucharistie hinterlassen hat. Dank der Eucharistie steht uns und allen Generationen des Volkes Gottes der unendliche Reichtum des Erlösungsgeheimnisses zur Verfügung und mit ihm die Möglichkeit der Rehabilitierung der menschlichen Freiheit, die durch die Sünde zerstört wurde. In Anbetracht des bevorstehenden Kongresses soll man die Anteilnahme an der Eucharistiefeier vertiefen, die, wie die Kirche lehrt – die Mitte des gesamten christlichen Lebens [ist] (…) In ihr ist der ganze Reichtum der Kirche, nämlich Christus selbst, enthalten (…), der durch seinen Leib, belebt durch den Heiligen Geist, der Menschheit das Leben gibt. Wir wollen die große Liebe zu Christus in uns erneuern und noch mehr die Verehrung des Allerheiligen Sakramentes außerhalb der Heiligen Messe vertiefen. Wir glauben ganz fest daran, dass nach dem eucharistischen Opfer Christus bei uns im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung bleibt, welches in unseren Kirchen als Allerheiligstes Sakrament aufbewahrt wird. Als Ausdruck dieses Glaubens kennen wir verschiedene Formen unserer eucharistischen Frömmigkeit. Wir entfalten sie, weil wir davon ausgehen, dass diesem eucharistischen Geheimnis, welches aus Liebe gegründet worden ist, und uns sakramental den Tod und die Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigt, unsere Dankbarkeit und unsere tiefe Ehrfurcht gebührt.

 

Eure Seelsorger wollen euch in den nächsten neun Monaten bis zu dem Eucharistischen Kongress ermöglichen, dass ihr die Wahrheit über die Eucharistie besser kennenlernt. Dieses Ziel soll erreicht werden durch: Religionsunterricht in den Schulen, Vorbereitung auf das Firmung- und Ehesakrament, Pfarrtreffen der synodalen Gruppen, Seelsorgegruppen, caritativen Gruppen und Gebetskreise, sowie anderen Pfarrgruppen, die sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene zusammenführen. Dazu sollen noch liturgische Homilien, Einkehrtage, Advents- und Fastenexerzitien kommen. All diese Unternehmungen sollt ihr mit Freude und Offenheit begrüßen. Diese Reflexion über das Geheimnis der Eucharistie soll unser gemeinsames Gebet begleiten, auf dass die ganze Erzdiözese, alle Gläubigen, die zu diesem Kongress nach Breslau kommen und schließlich die gesamte Kirche, mit den reichsten Früchten des 46. Internationalen Eucharistischen Kongresses beschenkt werden. Als Form dieses gemeinsames Gebetes werden ewige Anbetungen des Allerheiligsten Sakramentes in allen Kirchen der Erzdiözese an den ersten Sonntagen eines jeden Monats von September 1996 bis Mai 1997 gehalten. Vielleicht werdet ihr fragen: Warum gerade diese Form?

 

Die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes ermöglicht uns ein Verharren im Gebet vor dem gekreuzigten und auferstandenen Gott und Herrn, der in der täglichen Eucharistiefeier das Opfer unserer Erlösung sakramental vergegenwärtigt. Das Gebet vor dem Allerheiligsten Sakrament bringt diese einzigartige Gabe mit sich: unsere Verbundenheit mit Christus, die wir beim Empfang der Heiligen Kommunion erlangt haben, zu verlängern. Sie drückt unsere Dankbarkeit und unsere Verehrung für Christus aus, da wir durch seinen Tod und seine Auferstehung an seinem ewigen Leben teilhaben. Diese Anbetung gibt uns eine Möglichkeit, alle unseren Vernachlässigungen, Untreue und Sünden, durch die wir selbst und die ganze Welt sein liebendes Herz verletzt haben, wiedergutzumachen. Vor allem aber soll diese Gegenwart mit Christus im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung uns dazu ermutigen, dass wir in uns eine Haltung erarbeiten, die für Ihn, den Erlöser, charakteristisch ist, der sich immer wieder seinem Vater im Heiligen Geist opfert und der uns Menschen bis zur Vollendung geliebt hat (Joh 13,1). Er bleibt in uns, um – wie der Heilige Vater Paul VI. lehrt – in uns unsere Sitten zu verbessern, die Schwächen zu stärken und alle, die sich ihm nähern, zu ermutigen, ihm nachzufolgen und ihn als Beispiel für ein demütiges Herz vor Augen zu haben. Wir sollen auch nicht unseren eigenen, sondern den Nutzen Gottes suchen. (vgl. Enzyklika Mysterium fidei ).

 

Wir sollen also unsere Zeit nicht schonen um uns mit ihm in der Anbetung zu treffen. Auch unsere Familien und Angehörige sollen zahlreich zu diesen Anbetungen erscheinen. Christus, der in diesem Allerheiligsten Sakrament der Liebe verborgen bleibt, wartet auf uns alle und will uns mit seiner Güte erfüllen und uns vor allem Bösen beschützen.

 

Möge uns die Verehrung Christi, der bis zum Ende der Welt bei uns bleibt, belehren, mit Würde die Regeln des Glaubens und der christlichen Moral zu verwirklichen. Bei den Seelsorgern bedanke ich mich für ihren priesterlichen Dienst und für ihre Tätigkeit, die dazu beitragen, dass die Gläubigen der Erzdiözese in rechter Weise auf den 46. Internationalen Eucharistischen Kongress vorbereitet werden.

 

Euch allen gebe ich meinen Segen.

 

+ Henryk Kardinal Gulbinowicz
Erzbischof von Breslau

Eucharistie und Freiheit (Betrachtung)

Meditation zum Symbol des Kongresses

Einfach und klar sind die Bildzeichen: die Erde, die Hände, das Kreuz, das eucharistische Brot, das Licht der Sonne. Kennzeichen für den Eucharistischen Weltkongress 1997 in Breslau. Eucharistie und Freiheit heißt sein Leitwort: “Zur Freiheit hat uns Christus befreit” (Brief des Apostels Paulus an die Galater 5, 1).

Da ist die Erde, deutlich ist ihre Gestalt zu erkennen, die Kontinente, das Erdenrund – die Lebenswelt von uns Menschen. Hier erfahren wir ständig die Spannung zwischen Unfreiheit und Freiheit, im persönlichen Leben, in politischen Strukturen, in Abhängigkeiten ganz unterschiedlicher Art. Aber hier erfahren wir auch Freiheit, in der Zuwendung und Liebe. Und hier überall ist auch der “Ort” der Eucharistie. “Zur Freiheit hat uns Christus befreit” Das können wir hier leben und feiern. Bei allem Sehnen und Streben nach Freiheit auf dieser Erde erkennen wir, dass wahre Freiheit nur in der Beziehung auf ein Du gelingt, und letztlich ist dies das Du Gottes: Jesus Christus: Er wurde ein Mensch dieser Erde, ging einen Weg auf dieser Welt, starb einen Tod dieser Menschen. Aber für uns. Er stand aus dem Tod auf. wieder für uns: uns den Weg aus unserem Tod in die Auferstehung zu zeigen. Seine Gegenwart ist Leben, österlich vollendetes Leben für uns und alle Welt.

Dafür steht dieses Kreuz: Es ist kein Todesholz mehr, sondern Lebenszeichen: lichtblau, die Sonne umstrahlt den Schnittpunkt der Balken, und das Christuszeichen inmitten der Hostie: Auferstehung überall. Das Kreuz, an einem Ort dieser Welt und dieser Zeit aufgestellt zum Tod, ist jetzt, da Jesus Christus vom Tod auferstand, das Zeichen ewigen, unvergänglichen Lebens. Das wirkt schon jetzt in unser Leben hinein, gleich in welchem Teil der Welt. Zur Freiheit hat uns Christus befreit: Das ist hier und jetzt, und dann erst recht, wenn wir frei von Tod und Sünde sind. In der Feier der Eucharistie können wir dies vorweg erfahren, in unserem Leben auf einem Punkt dieser Welt, und dann, wenn wir da die Freiheit leben: Freiheit von unmenschlichen Zwängen, Freiheit von unwürdigen Abhängigkeiten, Freiheit von Schuld und Tod. Das Licht um den Kreuzmittelpunkt und das Christuszeichen zeigen das neue, freie Leben.

Die Hände. Sie geben hin – das Kreuz, das Licht, die Hostie. Die Hände Jesu Christi: Er machte sein Leben zur Hingabe an Gott, für alle Menschen. Im Kreuzestod kam diese Selbsthingabe auf den Höhepunkt, in seiner Auferstehung ist sie vollendet für immer. Er will auch uns und alle Menschen hineinziehen in seine Hingabe. Wenn wir mit Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, leben und arbeiten, leiden und sterben, dann erfahren wir Freiheit, Wandlung, Lebensänderung. Daraus wächst die Kraft, unser Leben zu ändern, auch das Leben anderer und Schritt für Schritt die Welt.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit. In der Eucharistie feiern wir diese Freiheit. Wir empfangen sie immer neu, wenn wir mit Jesus Christus ein Herz und eine Seele, ein Leib sind. Unser Leben soll von seinem Leben, von seiner Gottes- und Nächstenliebe geprägt sein. Seine Hände sollen unsere Hände werden. Unser Leben kommt zur vollen Verwirklichung, wenn wir Hingabe leben – Hingabe an Gott, Hingabe für den Nächsten. So werden wir frei von schuldhaften und entwürdigenden Abhängigkeiten, frei für Gott, frei für die Mitmenschen, frei für den Aufbau einer Kultur der Liebe.